Die weisse Stadt Ostuni
Den nächsten Halt machen wir Alberobello. Das ist das Zentrum der Trullis, mörtellos aufgebaute Steinhäuser. Die waren schon lange als Unterstände bekannt, aber anfangs 17.Jh wurden sie auch als Wohnhäuser gebaut und genutzt. Dem Grafen Gian Girolamo gehörte das Land und er wies seine Bauern an, ihre Häuser in dieser Trockenbauweise zu bauen. Damit wollte er Grundsteuer des spanischen Hofes umgehen und die Feudalabgaben der Bauern für sich behalten. 1644 wurden tatsächlich Inspektoren angekündigt und der Graf wies die Bauern an, ihre Häuser zu zerstören, sodass diese nur Steinhaufen sahen. Die Bauern mussten ihre Häuser mühsam wieder aufbauen. Später wurde der Graf ins Exil geschickt. Die Bautechnik ist aber sehr bewährt und schützt vor Sommerhitze und Winterkälte. Wahre Kunstfertigkeit sieht man an den Dächern: flache Kalkplatten werden in immer engeren Kreisen übereinandergelegt bis zum letzten Stein an der Spitze. Darüber kommt die Dachspitze in verschiedenen Formen und verschiedene Zeichen werden aufs Dach gemalt
Wir sind fasziniert. Alberobello ist ein Trullidorf, viele Trullis, noch mehr Leute und Autos. Wir erobern uns einen Platz mit Aussicht und geniessen einen Apero an der Sonne und schauen dem Treiben zu.
In Locorotondo finden wir einen Gemüsemarkt und lernen viel. Die Händlerin ist auch eine gute Verkäuferin. Sie berät uns für beste Tomaten für Salat, dreht uns den besseren Trevisano mit Rezept an, preist ihre Oliven und eingelegten Zwiebelchen an und als sie hört, dass wir mit dem Camper unterwegs sind, rüstet sie uns Trevisano und Endivie. Also wir haben zuviel gekauft aber es war ein Erlebnis.
Am Fuss der Stadt Ostuni stellen wir uns in die Sosta Camper Villanova. Im Preis von 15 Euro ist auch eine Flasche Wein inbegriffen. Der Besitzer war früher Designer von Unterwäsche im Schwarzwald und spricht gut deutsch.
Ostuni, der weissen Stadt, gilt unser nächster Besuch. Leider ist der Himmel etwas bedeckt, das Weiss strahlt nicht wirklich. Wir streifen durch das Städtchen, bewundern die malerischen Nischen und Innenhöfe und betrachten bei Apero die vielen Leute. In einer einsamen Gasse spielt ein Rumäne Akkordeon und erzählt wie arm die Leute in seinem Land sind.
Am 24. April fahren wir nach Lecce wo wir auf einem ruhigen Agrotourismo übernachten. Lecce ist bekannt für seinen Leccer Barock. Er wird aus Kalkstein im Tagbau gewonnen und ist frisch mit dem Messer gut und weich zu bearbeiten. An der Luft härtet er und wird goldgelb. Dieses Material setzte der Fantasie keine Grenzen. Und wo kann man das am besten anschauen? Natürlich in Kirchen. Also starten wir eine Kirchentour: Vier Kirchen zu 9 Euro. Ich knipse unentwegt und freue mich über den Formenreichtum und die Verspieltheit. Was uns auffällt sind die schön herausgeputzten Touristengassen, aber die Hintergassen sehen ziemlich anders aus.
Galatina ist unser nächster Stopp. Die Kirche Santa Caterina d`Alessandria ist berühmt für ihre Fresken. Ich erkläre Hans einige Bilder und fotografiere viel, bis ich irgendwie merke, dass andere Anweisungen am Eingang erhalten. Aber zu mir sagt der Bewacher nichts, weil er nicht traut oder nicht weiss in welcher Sprache? Ich knipse fröhlich weiter, obwohl fotografieren eigentlich verboten wäre. Heute trinken wir Kaffee und essen dazu Pasticciotto, die Spezialität von Galatina. Köstlich: Mürbeteig gefüllt mit Vanillecreme.
Am 26. April fahren wir nach Otranto, die Stadt fast am äussersten Absatz. Sie hat eine bewegte Geschichte hinter sich, weil sie wie ein Brückenkopf zum Orient ist. Die Römer waren hier, die Byzantiner (Oströmer), die Kreuzzüge schifften hier ein, Päpste besuchten die Stadt, die Venezianer machten hier Zwischenhalt, die Türken, die Spanier, Napoleon schickte Fouché, seinen Polizeiminister. Seit 1950 wurde es touristischer Hauptort. Es hat eine wunderschöne antike Altstadt, die zum Teil unverändert geblieben ist. Wir haben einen Platz auf dem Oasy Park, mit Sicht auf die Stadt und das Meer und nur 20 Minuten zu Fuss in die Altstadt.Im Dom bewundern wir den Mosaikfussboden, den ein Mönch Pantaleone von 1163-65 gestaltet hat. Er zeigt ganz verschiedene Weltbilder an drei Lebensbäumen. In einer Seitenkapelle sind die Gebeine von etwa 500 der 800 Märtyrer ausgestellt, die ihrem christlichen Glauben nicht abschwören wollten und darum von den Türken geköpft wurden. Solches Wissen macht die Runde durch die Stadt so besonders. Was wurde da gelebt, gehofft, geglaubt, geliebt und gestorben – wir gehen auf Geschichte.
Am Abend essen wir in einer Pizzeria, die ein Reiseführer empfohlen hat, aber wir empfehlen sie nicht weiter. Dafür können wir schöne Fotos mit Abendstimmung vom Dom einfangen. Am nächsten Tag kommt Josef vorbei und führt uns mit dem Tuc-Tuc an ein paar schöne Plätze. Viel Neues erfahren wir leider nicht. Wir haben eine wunderbare Sicht auf Albanien.
Auf der Weiterreise kommen wir am östlichsten Punkt von Italien vorbei, am Punto Palascia. Wir wandern im starken Wind zum Leuchtturm.
Wir fahren durch felsiges Gebiet der Küste entlang bis zur Grotte Zinzulusa und bewundern die Stalaktiten und Stalagmiten.
Ja, und in Gallipoli muss es einfach einmal sein….. Wir fahren einen grossen Campingplatz an. Leider bekommen wir einen Platz im Wald, bei diesem Wind wäre Sonne viel besser gewesen. Aber die Waschmaschine war sauber und die Wäsche bald trocken. Erst am nächsten Tag lassen wir uns in die Stadt fahren, ein Service vom Camping. Gallipoli war der Umschlagplatz für Olivenöl. Es wurde nach Marseille verschifft zur Seifenherstellung, oder in andere Länder als Lampenöl (vgl Bild). Es ist aber leider so windig und dazu kalt, dass wir die Burg ansehen, um die Stadt herum wandern, dann im Windschatten fein essen und dann eine Stunde zum Camping wandern, weil wir nicht so lange auf das Taxi warten wollen.
Am 30. April kommen in Manduria vorbei. Sicher läutet es schon einigen, aber das haben wir noch nie gesehen: eine Weintankstelle. In 3-Liter Bidons lassen wir uns den köstlichen Saft abfüllen, das ist einfach leichter als die Weinflaschen.
Später kommen wir in Matera an und sind verzaubert. Wir haben einen Platz auf einer Sosta Camper im Naturschutzgebiet, ruhig und im Grünen. Trotzdem machen wir uns sofort auf den Weg. Ein steiler Abstieg in die Gravina-Schlucht, eine Hängebrücke wie in Nepal und dann ein schweisstreibender Aufstieg in die Stadt. In der Monkey Bar löschen wir unseren Durst und der ganz junge Barkeeper bringt uns noch eine Stadtkarte.
Erste Besiedlung gab es schon in der Altsteinzeit. Die Behausungen von Menschen wurden in das weiche Sedimentgestein gegraben, Sassi heisst Stein, und die Höhlen boten Wohnungen in denen das ganze Jahr gleiche Temperatur herrschte. Mit den herausgehauenen Blöcken wurden die Plätze vor den Höhlen hufeisenförmig eingefriedet. Im Laufe der Zeit wurden sie auch als Zufluchts- und Verteidigungsort gebraucht. Es kamen auch viele religiöse Gruppen, die ihre eigenen Kirchen bauten, darum gibt es so viele mit wunderschönen Fresken. Nach dem 2. Weltkrieg wohnten etwa 16000 Menschen in den Höhlen. Die hygienischen Bedingungen wurden katastrophal und Carlo Levi beschrieb die Situation in seinem Buch, Christus kam nur bis Eboli. 1950 besuchte auch der Ministerpräsident Alcide de Gasperi Matera und erklärte die Situation als Schandfleck Italiens. Also wurde Wohnraum ausserhalb der Mauern gebaut und die Leute umgesiedelt. Die Sassi verfielen langsam. 1986 wurde ein Gesetz geschaffen, das erlaubte die Sassis zu renovieren und umzunutzen. 1993 wurde Matera und seine Sassis UNESCO Welterbe.
Also stehen wir hier auch wieder auf sehr geschichtsträchtigem Boden, der unsere Faszination neu entfacht. Wir besuchen ein ursprüngliches Sassi, indem eine Familie mit bis zu sechs Kindern wohnte, dazu das Maultier, die Hühner unter dem Bett, darum ist es so hoch und den Schafen und der angebauten Stallhöhle. Was für ein Leben!
Natürlich gehören auch einige Kirchen dazu und das Streifen durch die Gassen. Am Sonntag, 1. Mai wandern wir noch einmal in die Stadt. Es hat noch mehr Leute und auf der Hängebrücke noch mehr Geschrei. Nach den anstrengenden Wanderungen und Streifzügen fahren wir jeweils mit dem Bus zurück zum Wigwam.
Nach soviel Kultur in so kurzer Zeit, fast jeder Tag war ein kultureller Höhepunkt sind wir müde – nur keine Kirchen mehr. Wir suchen Ruhe und Landschaft und fahren zum Cap Trionto zu Franco. Ein richtiges Bastelparadies. Seine Frau kocht sehr fein, er bringt uns Orangen und preist seinen Wein und Öl, Salami, Orangenkonfitüre an, alles selbst gemacht.
Auch diese Kilometer gestalten wir. Wir besuchen ein Dorf, ehemals griechich, Pentedattilo, Fünffinger. Es liegt an mächtigen Kalkfelsen. Nach schweren Erdbeben wurde das Dorf als gefährdet betrachtet und die Leute im neuen Pentedattilo angesiedelt. Allerdings stehen die Felsen immer noch. Nun beleben Künstler das Dorf wieder.
Panorama von Pentedattilo
Die letzte Nacht wollen wir im Aspromonte Nationalpark verbringen. Hans fährt eine sehr steile enge und löchrige Strasse hoch. Es regnet, viele grosse Steine liegen auf der Strasse und wehe dem Gegenverkehr. Der Skiort Gamberie ist allerdings eine herbe Enttäuschung nämlich „tote Hose“, kalt, 11 Grad und der Stellplatz sehr ungünstig gelegen. Nach einem Kaffeehalt im Wigwam fahren wir wieder ans Meer. Da empfängt uns die Wärme mit 23 Grad