über die Dächer von Siena
Weil ja der Computer krank darnieder liegt, haben wir Raum und Zeit für einen Ausflug und wandern vom Agriturismo Poggio ai Pini nach Certaldo Alto, einem kleinen mittelalterlichen Städtchen.
Es hat ganz wenige Touris, nur eine Schulklasse stürmt die Bar und alle kommen Glace schleckend wieder heraus. Giovanni Boccacio (1313-1375) wohnte hier. Das Haus war zerstört und orginalgetreu wieder aufgebaut. Weil bald die Siesta anfängt, stürmen wir durchs Haus vorbei an allen Ausgaben des Decamerone auf den Turm und bewundern die Aussicht übers Land und nach San Giminiano.
Auch vom Palazzo aus schauen wir übers Land. Besonders gefällt uns die Ausstellung von Milot Alfred Mirashi, einem zeitgenössischen albanischen Künstler, der Schlüssel verbiegt.
In Siena richten wir uns kurz auf dem Camping Colleverde ein und fahren dann in die Stadt zum Computerdoktor. Der will zwar gar kein Surface behandeln, Name des Laptops. Aber sein Kollege ist am Problem interessiert. Der Patient wird an die Schläuche gehängt (Netzkabel und WLAN). Und siehe da, er bekommt sehr langsam wieder etwas Atem. Wir können ihn dort lassen und ihn in drei Stunden wieder holen oder weitere Therapien besprechen.
Über lange stöhnende, klopfende und knirschende Rolltreppen gelangen wir wieder in die Oberstadt und streifen mit vielen Touris zum Campo, dem berühmten halbrunden Platz mit dem hohen Turm. Dort trinken wir Kaffee und betrachten das Treiben. Eine Runde um den Dom und dann wieder zum Computerdoktor. Und siehe da der Patient ist genesen. Diagnose: Die Internetverbindung war im Camping so schlecht, dass ein Update nicht fertig abgeschlossen werden konnte. Und da streikt der Laptop einfach! Wir sind ja so erleichtert. Und die Kosten: Null! Wir könnten ja einmal Schweizer Schokolade bringen, die sei sehr fein. Leider haben wir keine dabei.
Als Tagesprogramm hätten wir gerne den Dom angesehen. Aber die Warteschlangen zur Biglieteria sind sehr lang, würde heissen: Stunden anstehen und dann warten, bis wir zu den 800 Leuten gehören, die im Dom sein dürfen. Huch, nicht mit Individualtouristen und so freiheitsliebenden Campern! Ich versuche ein Billett per Internet zu lösen, aber ich verstehe nicht alle Wörter und die Damen in der Information sind nicht bereit mir auf italienisch zu helfen. Ich bin soo enttäuscht …
Wir streifen weiter durch die Gassen, suchen einsamere und kommen so zur Kirche San Domenico, wo sich auch Katharina von Sienas Geburtshaus befindet. Wir erhaschen schöne Ausblicke auf die Stadt.
Als wir aus der Kirche kommen, nieselt es. Also ab zum Apero. Wir werden so nett und zuvorkommend bedient, dass auch meine Wut auf die Damen wieder verfliegt. Später entdecken wir auf einem Platz junge Burschen, die Fahnenschwingen üben und andere, die Trommeln stimmen. Das ist fast ein Privatschauspiel, die Vorbereitung auf die Festivitäten vom 1. Mai.
Der Massentourismus hat uns echt überrascht und wir werden bei der weiteren Planung auch ein Augenmerk darauf haben müssen.
Endlich können wir den ersten Teil unseres Reiseberichts abschliessen. Wir fahren weiter Richtung Piombino weil wir auf die Insel Elba möchten. Leider regnet es, sodass wir die Kirche ohne Dach in San Galgano nicht anschauen, sondern dort den kaputten Wasserhahn im Bad entdecken. Schon lange war es immer feucht ohne ersichtlichen Grund. Als aber auch der Boden nass ist, finden wir die fast sprudelnde Wasserquelle am Hahn. Sie ist mit Tüchern fast nicht aufzuhalten. Vermutlich hatte Eis im Winter den Mischer gesprengt. Wir stellen die Wasserpumpe ab, aber dann ist das Campen echt mühsam. Im Regen besuchen wir Massa Marittima. Die Regenschirme der Schweizergruppe bringt etwas Farbe in den grauen Ort.
Computer sei Dank finden wir in der Nähe von Livorno die Reparaturwerkstatt Rosignano Caravan und fahren sie an. Wir haben nun nicht mehr den Orginalmischer, aber einen, der besser zu bedienen ist. Dauer vier Stunden warten und eine halbe Stunde Reparatur. Auf einem schönen Agricampeggio verbringen wir Abend und Nacht. Jetzt sind wir reif für die Insel – Elba.
Abfahrt von Piombino
Nach einer ruhigen stündigen Überfahrt nach Rio Marina kurvt Hans nach Cavo, an die nördlichste Landzunge. Direkt am Meer geniessen wir Pizza und Salat.
Später schlendern wir durch Capoliveri. Dort sind grosse Vorbereitungen für ein Bikerrennen im Gange.
Über ein ganz enges Wanderwegli „kratzen“ wir uns ans Meer. Als es wirklich nicht mehr weitergeht, erkennen wir, dass uns das Navi wieder einmal in die Irre geführt hat. Die Wagenführerin würde mehr den Wegweisern nachfahren, aber der Lenker hat da oft seine eigenen Vorstellungen. Zurück und der Strasse nach finden wir dann Spiaggia di Ferrato, paradiesisch, ruhig, idyllisch, wundervoll. Wir stehen in einer Zeile mit zwei Paaren aus Bern und einem aus Tübingen und einer Prachtsaussicht. Nachts erwache ich: Die flitzenden Autos sind in Wirklichkeit die Wellen, die ans Ufer schlagen, frei nach Gottfried Benn: "Was schlimm ist: Nachts auf Reisen Wellen schlagen hören, und sich sagen, dass sie das immer tun" .
Am nächsten Tag findet Hans auf der Mapy-App eine schöne Wanderung Richtung Porto Azzurro. Es geht steil hinauf und hinunter, teils auf wenig befahrenen Strassen und echten Wanderwegen der Küste nach. Porto Azzurro scheint so nahe zu sein, da möchte ich doch hin. Aber ein genauerer Blick zeigt eine grosse lange Bucht, echt zu weit. Elba ist eine sehr zerklüftete Insel. An einer Strandbar löschen wir unseren Durst und laufen zurück an unseren Paradiesplatz.
Wir fahren weiter und richten uns in Porto Azzurro bei Da Mario ein. Etwas später kommt ein Schweizer an und stellt seinen Bus so in den Weg, dass niemand mehr durchgehen und wir nicht hinausfahren könnten. Er hebt zum Gruß den Zeigefinger und verschwindet mit Hund. Natürlich kann ich mir eine Bemerkung dazu nicht verkneifen und das findet er gar nicht toll. Ich hätte ja sehen können, es sei ja klar, dass … Es gibt ein langes Palaver und er erzählt und erzählt, wir hören zu und trennen uns in Minne. Ja, er gehört zu der Spezies Platzhirsch. Genau in der Mitte des Platzes installiert er sich und lobt seine Rücksichtnahme. Er „schnurrt“ mit allen Schweizern und Deutschen und will alles wissen. Er folgt uns sogar ins Restaurant und fragt neugierig, was wir essen. Wir nehmen es sportlich. Vorbeigehende quatscht er an, sitzend auf seinem Sessel und eine stinkende Zigarillo rauchend. Man kommt sich vor wie ein Bittsteller. Aber er weiss auch viel von der Gegend und weist uns auf den Mercato von Samstagmorgen hin. Natürlich gehen wir zu Fuss hin, weil wir so einmal kein Parkproblem haben.
Auf diesem Zeltplatz und am Barbarossastrand war Hans vor 57 Jahren mit seiner Klasse 5Ta auf der zweiten Maturareise (ohne Lehrer!), da kommen alte Erinnerungen hoch. Z.B. konnte er mit einem Immobilienhai, der mit Segelschiff und Privatflugzeug auf Elba war, zurück in die Schweiz fliegen, nachdem alle Kollegen noch länger bleiben wollten und er einen Termin für die Mandeloperation hatte.
Die abenteuerliche Wanderung:
Also mit Hans wandern heisst auch immer sich Herausforderungen stellen und Abenteuer bestehen. Das ist ja auch nach meinem Gusto. Zuerst geht es der Strasse nach, heiß und etwas langweilig. Zwischenziel ist das Klösterchen Santuario Monserrat hinten hoch über einer Schlucht thronend. Von dort aus geht der Weg weiter, EE nur für erfahrene Wanderer. Eine Steilstufe, ein schmales Wegli, das immer steiler wird. Es ist rutschig und steil, nicht nach meinem Gusto. Die Bergziegen haben es da echt leichter. An zwei besonderen Stellen hat es zum Glück Seile um sich hochzuziehen. Es ist heiß, der Schweiss fliesst in Strömen.
Bei einer Abzweigung wählen wir den Weg unter dem Monte Castello durch. Wir hangeln uns an einem Stahlseil über die Felsen. Dann endlich geht der Weg etwas flacher und vor uns öffnet sich eine wunderbare Aussicht.
Noch einmal heisst es das Stahlseil zu Hilfe nehmen und zum Pass absteigen. Wir machen eine Pause und trinken Wasser. Von unten sehen wir einen Biker sein Velo an einem Baum parkieren, wohl ein ganz Vergifteter. Den Monte Mar di Capanna lassen wir aus, weil ja auch noch ein Abstieg zu bewältigen ist. Aber der Weg ins Tal erweist sich als „Nasenwasser“, schönes Wegli, flache Serpentinen. Ah, darum kam der Biker so weit. Der Wald sieht schrecklich aus, knochentrocken. Erst weiter unten wird es wieder grüner.
Ganz erhitzt stürzen wir uns ins sehr kühle Meer am Barbarossa-Strand und werden wunderbar erfrischt. Wirklich, es war abenteuerlich und toll.
Am nächsten Tag spazieren wir nur in die nächste Bucht, Spiaggia Reale.
Wir umrunden die Insel. Einen ersten Halt machen wir in Marina di Campo. Leider werden von sechs Reisebussen grad etwa 300 Leute für eine Runde ausgespuckt, aber da fahren wir schon weiter, immer schön kurvenreich der Küste entlang. Es gibt wunderschöne Ausblicke nach Marciana und Poggio und Hans meint immer wieder Pizzaduft zu riechen. Kein Wunder, unser zweiter Halt ist in Marciana Marina in der Trattoria La Scaletta, wo unser Reiseführer die beste Pizza empfiehlt. Schöne Vorfreude! Und wirklich, die Pizza ist fein, der Salat auch, am besten ist der Wein.
Unser nächster Platz ist der Camping Acquaviva auf der Landzunge Enfola.
Ein Thema, das mich interessiert, ist Napoleon auf Elba. Nach der verlorenen Schlacht bei Leipzig wurde er nach Elba verbannt und dort begeistert empfangen. Er landete am 4. Mai 1814 in Portoferraio. Er wohnte in der Villa Mulini, ein Haus mit wunderbarem Ausblick auf Stadt und Meer. Später zog er um in ein Landhaus Villa San Martino. Am 26. Februar 1815 fuhr er ab nach Livorno und zog über die Via Napoleone zurück nach Paris.
Zuerst besuchen wir das Landhaus. Es sind ein paar Räume mit schönen Möbeln, nichts mehr autentisch, aber aus dieser Zeit.
Nach der Kultur finden wir an der Bar ein Birra Napoleone. Es ist fein, obwohl ich nicht sicher bin, ob er wirklich Bier trank
Eine Nachbarin schwärmte vom weissen Strand, Capo Bianco. Zwei Mal haben wir die Runde gedreht: Beim ersten Mal verpassten wir die Einfahrt in den Parkplatz um beim zweiten Mal zu realisieren, dass die Einfahrt zu niedrig ist. Nach einem längeren heissen Fussmarsch würden wir uns gerne erfrischen. Schöner weisser Strand, aber viele Quallen – nix mit baden.
Wir fahren bis zum Ende der Strasse auf der Landzunge Enfola und wandern dort bis zum äussersten Punkt La Nave. Leider können wir auch da nicht baden, weil es viel zu hoch ist.
Am nächsten Tag sind wir schon früh unterwegs und fahren zum Weingut Tenuta La Chiusa in Magazzini. Es gibt feinen Wein, den wir in der Trattoria La Scaletta getrunken haben und schöne Sicht auf Portoferraio. Dann stellen wir das Wigwam beim Hafen ab und laufen schnell zur Festung und Villa Mulini hinauf, bald ist Siesta. Hier residierte Napoleon prunkvoller. Im Ballsaal steht ein Prunkbett, das seine Mutter benutzte, wenn sie bei ihm war. Seine Schwester Pauline lebte dort bei ihm und auch die hatte ein tolles Bett. Dagegen nimmt sich sein Feldbett sehr spartanisch aus. Aber er schlief auch nicht viel, besonders in Schlachten gar nicht.
Es gibt da viele vergoldete Möbel und schöne Zimmer.
Er sei ein sehr interessierter, gebildeter und neugieriger Mensch gewesen. Davon zeugt seine grosse noch verbliebene Bibliothek. Das Klo ist dazu sehr bescheiden.
Im Garten suchen wir das Bänklein auf dem er sass und sein (selbstverschuldetes) Leid beklagte. Genau finden wir es nicht, aber die Aussicht aufs Meer ist grandios. Unter dem Bild steht: "Ich wünsche, dass meine Asche am Ufer der Seine ruht, inmitten des französischen Volkes, das ich so geliebt habe."
Nach einem feinen Essen auf der Laube des Bistro Teatro nehmen wir mit etwas Wehmut von der Insel Elba Abschied. Die Fähre bringt uns nach Piombino zurück.