Strand von Buggeru
Sardinien ist die 5. grösste Insel Europas, 270km lang, 145km breit, also etwa halb so gross wie die Schweiz. Hier leben etwa 1,66 Millionen Menschen, 3,5 Mio Schafe, Hunderttausende Ziegen, 7000 Nuraghen, Spuren und Zeugnisse von Menschen, die 120.000-180.000 Jahre alt sind.
Wir kommen in Cagliari an und richten uns zuerst auf einem Campingplatz ein um den 3. Teil des Reiseberichts zu schreiben. Wir sind sehr sesshaft, aber sprechen mit Nachbarn aus Biberach und eine schwarze Katze lässt sich gerne bei uns nieder. Ihr jämmerliches Gemaunze erweicht das Herz von Hans dem Katzenfreund und sie bekommt ab und zu einen Happen von unseren Köstlichkeiten. Netterweise schleckt sie auch unsern Grill sauber. Bei einem Spaziergang entdecken wir die ersten wildlebenden Flamingos. Endlich, nach drei Tagen ist der 3. Teil fertig und wir sind bereit, Sardinien zu erkunden.
Leider verschlechtert sich das Wetter, immer wieder regnet es stark und die Prognosen sind auch düster. Wir besuchen Carbonia, eine Stadt, die Mussolini geplant und in wenigen Jahren aufgebaut hat. Dort werden wir tüchtig verregnet. Netterweise holt Hans das Wigwam nach 2 Stunden, damit nur jemand nass ist. Wir fahren einen Camping an der Spiaggia ai Pini um den Regen auszusitzen. Tatsächlich giesst es immer wieder, sodass einige Plätze unter Wasser stehen. In den kurzen trockenen Phasen wandern wir zum Strand oder sprechen mit Nachbarn. Da ist einer fünf Wochen in seinem Zelt im Wasser, der von hier aus auch arbeitet. Daneben ist eine junge deutsche Familie, die 2 Monate Elternzeit geniesst. Überhaupt treffen wir immer wieder junge Familien in Elternzeit an. Das ergibt ganz interessante Gespräche und der schweizer Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen erscheint daneben äusserst mager.
Nach drei Tagen fahren wir weiter nach Norden. Es ist schön und heiss. Neben uns kommt ein Paar aus München mit einem selbstausgebauten Citroen. Da gibt es einiges zu bewundern von Trennklo, niedlichem Wasserhahn und wunderschönen Boxen. Später gesellt sich Julia dazu, sie reist alleine. Am Sonntagabend treffen wir uns dann zu Wein und Gesprächen bis tief in die Dunkelheit. Wirklich, was die Italiener können, können wir auch, nur etwas leiser. Wir spazieren dem Strand entlang und sitzen in einer Strandbar, als urplötzlich ein Holzbalken einstürzt und einen Tisch zertrümmert, zum Glück einen halben Meter neben uns. Bevor wir abreisen gibt es eine so starke Böe, die fast alles, was nicht niet- und nagelfest ist zum fliegen bringt und den Nachbarn das Vordach zerreisst.
Nun fahren wir nach Tharros um eine grosse römische Siedlung anzuschauen. Am Ende sehen wir einige runde Mäuerchen, eine Nuraghiersiedlung. Das sagt uns gar nichts.
In Fordongianus sehen wir ein römisches Bad an. Im Fluss daneben könnte man warm baden, aber der Wasserstand ist so tief, dass wir es bleiben lassen. Von dort fahren wir wieder Richtung Meer und da erleben wir die Wildheit, die Zerklüftung, Weite und Enge der Insel. Auf sehr kurvenreicher Strecke geht es in immer neue Geländekammern und an sehr kleinen Rebfeldern und Olivenhainen vorbei. Wir fahren durch dunkle Wälder an steil aufragenden Felsen vorbei und kommen nach Bosa, einen sehr farbigen Ort.
Nach der Mittagspause kurven wir der wunderschönen Küstenstrasse entlang bis nach Alghero. Der Camping ist fast voll und ziemlich chaotisch aber halt nahe bei der Stadt.
In der Nacht besuchen uns die Mücken. Wir jagen und braten sie mit dem Insektenschröter. Leider kommen sie nacheinander, etwa 20 an der Zahl, an Nachtruhe ist kaum zu denken. Am Morgen geht die Pechsträhne weiter. Hans hat einen besseren Platz gefunden. Zwar habe ich nun nach einer Woche Suche eine gute Waschmaschine gefunden, aber Hans steht in einen Hundedreck und bringt ihn ungewollt ins Wigwam, es stinkt grauenhaft. Also muss der Teppich raus, die Wäsche an die Leine - und das ohne Tee und Frühstück.
Am Nachmittag besuchen wir Alghero, essen fein und alles kommt wieder in den grünen Bereich.
Heute entdecken wir die Nuraghier bei Palmavera. Eine grosse sehr gut erhaltene Siedlung und ein guter Audioguide und wir sind fasziniert. Die Nuraghier, die Ursarden, lebten in der Bronzezeit um 18. Jh vC. Die runden Mäuerchen sind die Überreste ihrer Häuser, also fast 4000 Jahre alt. Einige sind zweistöckig und haben eine Terrasse von der man übers Land blicken kann. Das Versammlungshaus hat eine eben runde Sitzmauer und in der Mitte einen Sitz für den Vorsitzenden oder Sprecher? Alle Mauern sind sehr grobe grosse aufgeschichtete Steine. Darum stehen viele wohl noch. Die Wohnhütten haben auch eine Feuerstelle entweder in der Mitte oder am Rand. Zum Vergleich unsere Hochkonjunkturbauten z.B. die Tech-Mensa und das Laborgebäude! Wir schauen, staunen, und werden angefixt.
Also fahren wir in die Nähe des Flughafens zu den Nekropoli di Anghelu Ruju. Da sehen wir Gräber, die 4000 Jahre alt sind. Sie haben meist einen grösseren Eingang und verzweigen sich in verschiedene Grabkammern. Da müssten wir uns ganz klein machen und hineinkriechen, das lassen wir dann und zünden mit dem Handy hinein. Hin und wieder sollen doppelhörnige Stiere dargestellt sein, aber die können wir nicht erkennen.
Am nächsten Tag fahren wir ganz in den Nordwesten der Insel zum Spiaggia Pelosa, ein ganz bekannter Strand. Es ist hier Hochbetrieb. Auto an Auto säumt die Strasse über Kilometer. Am Schluss geht es den Berg hinauf und oh Wunder auch wir finden einen Platz. Das Wasser ist knietief blau, der Sand weiss, ein Paradies für Kinder. Familien packen dann auch viel Gerät für den Strandtag aus, also gibt es Stau, nicht nur auf der Strasse, sondern auch im Wasser. - Echt nichts für uns.
Fahrt nach Porto Torres. Es ist heiß und die Lust nach Besichtigung klein. Aber die romanische Kirche auslassen? Das geht ja gar nicht. In einer Bar trinken wir Kaffee bis die Siesta vorbei ist und die Basilika San Gavino wieder aufgeht. Wir werden nicht enttäuscht, wenn wir von den Seitenschiffen absehen.
Wir wollen nach Villadoria. Weil es auf der Route einen langen Stau gibt, kommen wir unverhofft zu einer spektakulären Fahrt über Land. Manchmal spielt das Navi einen Streich und wählt Wanderwegli oder so enge Gassen voll von parkierten Autos, dass gar kein Durchkommen ist. Das ist uns in Sennori passiert, also eine Extrarunde durch den Ort. Die kurvenreiche Strecke ist ein Leckerbissen für Hans, da ist er im Element. Zum Glück hat es auch wenig Gegenverkehr.
Auf den International Camping werden wir sogar „beringt“ wie „all inclusiv“, gar nicht nach unserem Gusto, aber für eine Nacht … Die Nachbarn sind Polen und sehr kommunikativ. Wir unterhalten uns auf Englisch. Nach so viel Kultur braucht es auch feines Essen und ich wage mich an eine Parmigiana, Auberginengratin, im Omnia-Backofen. Ist sehr lecker geworden.
Dieser Ort ist eine Empfehlung des Münchner Paars. Auf dem Weg sehen wir uns die Nuraghe Majori an. Heute wohnen darin Fledermäuse.
Im La Cerra sind gleich zwei junge deutsche Familien in Elternzeit. Wir reden viel miteinander. Am Abend essen wir da echt sardisch. Es ist grossartig, fünf Gänge und Wein für 30 Euro.
Am nächsten Tag wandern wir um den Monte Pulchiana, ein eher schwieriger Kletterberg. Der Wanderweg ist dafür leicht und wir sind fasziniert von den Felsformationen, zum Beispiel der Papageientaucher.
Auf der Weiterfahrt kommen wir durch den Parco Nazionale del Golfo. Es geht über eine Panoramastrasse mit vielen Tiefblicken. Leider kann man nicht immer anhalten, aber genau dort, wo man auch eine Schluchtentour buchen kann. Das tun wir auch. Auf dem Pass Genna Silana finden wir einen sehr aussichtsreichen Stellplatz. Am Montag, 12. Juni, als wir gerade abfahren wollen, sind zwei Wildschweine auf dem Platz, wild angekläfft und gejagt von etwa drei Hunden. Die Wildschweine sind schneller.
Auf dem Parkplatz wird gerade ein Jeep gefüllt, aber für uns hat es keinen Platz mehr. Wozu das wohl gut ist? Für eine Privatfahrt! Unendlich holperig geht es 700 m in die Tiefe. Gegenverkehr wird abgesprochen, sonst ist kein kreuzen möglich. Der Fahrer bringt uns über den Fluss und dann wandern wir etwa 50 Minuten zum Beginn der Schlucht. Eindrücklich wird uns immer wieder eingebläut, das weisse Billett an Eingang abzugeben und Essen und Trinken mitzunehmen. Beim Eingang sollen wir wieder auf Erklärungen warten. Als es uns zu bunt wird und wir aufstehen und gehen wollen, bekommen wir sie blitzartig: Aha, den grünen und gelben Punkten können wir nachgehen, bei den roten ist Schluss, das geht nur für geführte Touren. Wir machen uns auf den Weg und es ist eine wahre Herausforderung für Kraft, Beweglichkeit und Gleichgewicht. Die Steine sind alle speckig, rund und abgegriffen und die Tritte sehr hoch. Eine echte Turn-Klettertour Rotpunkt!
Auf dem Rückweg holt uns auch das angekündigte Gewitter ein. Wir suchen Schutz unter einem grossen Stein. Zum Glück regnet es bald nicht mehr und wir machen uns auf den Rückweg zum Jeepparkplatz, nass sind wir von Schweiss, Regen und der feuchten Luft. Nach der weiteren unendlich rumpligen Fahrt kommen wir wieder zum Wigwam. Weil unsere Vorräte aufgegessen sind kurvt Hans noch 38 km ans Meer hinunter bis nach Lotzorai. Endlich duschen, essen und erholen. Der leichte Muskelkater ist eine süsse Erinnerung an die tolle Schluchtentour.
Erholungstage sind auch Zeiten für Neues. Mit dem mitgebrachten Mehl fertige ich Pizzateig. Hans profiliert sich als Pizzaiolo. Die Werke lassen sich sehen und sind auch noch sehr knusprig und fein.
Heute, 14. Juni, regnet und gewittert es wieder, darum ist dieser Reisebericht bis jetzt entstanden.
Der nette Nachbar aus Bormio gibt uns den Tipp, den Pedra Longa zu besuchen. Ein schöner Kletterfelsen, ein erratischer Block am tiefblauen Meer. Von dort fahren wir nach Baunei, so ein typisch sardischer Ort, farbig und an den Hang geklebt. Sinnvollerweise parkieren wir am Ortseingang und spazieren zu Fuss durch die engen Gassen und kleinen Plätze. Die älteren Frauen sind sehr traditionell gekleidet, ich erhasche sie von hinten.
Endlich sind die Wetterprognosen so, dass wir eine Fahrt ins Gebirge wagen können um den höchsten Berg Sardiniens zu erklimmen. Wir kurven den ganzen Tag, zuerst nach Jerzu zu einer Weintankstelle. Wir möchten auch den Ort sehen, aber keine Chance auf einen Parkplatz. Zweimal müssen wir umkehren und mindestens einmal regle ich den Verkehr. Wir kommen an Ulassai und Osini vorbei, alles schmucke Dörfer an den Steilhang gebaut. Weil diese auch rutschen, wie wir von Brienz erfahren haben, wurde Gairo weiter oben wieder aufgebaut. Von Fonni aus, dem höchsten Ort fahren wir in eine wilde Alpenlandschaft, S`Arena.
Dort suchen wir einen Übernachtungsplatz, den wir auf einem grossen Parkplatz in der Nähe eines holländischen Campers finden. Wir trinken Apero zusammen und reden angeregt. Auf dem Platz drehen Bauern ihre Runden, äugen mit dem Feldstecher nach ihren Tieren, diskutieren lange miteinander und fahren wieder weg. Wir bewundern den schönen Sonnenuntergang und schlafen sehr ruhig.
Am Morgen begrüssen uns ein paar Pferde und ein Hund. Wir fahren bis zu einem verjästen Berghaus und parkieren dort. Zuerst wandern wir einer Fahrstrasse entlang und weichen Mutterkühen mit ihren Jungen aus. Nach dem ersten Pass geht es dem Hang nach, eben, hinauf und hinunter in eine Schlucht und natürlich wieder hinauf bis zum nächsten Pass. Wir sind fast ganz allein. Aber da kommt ein Töff, laut und stinkend rattert er an uns vorbei – er scheint nichts zu kennen. Wir wandern weiter hinauf bis zum Gipfelkreuz. Aber Mapy.cz weiss es besser, der wirkliche Gipfel ist noch 100m weiter. Dort treffen wir noch zwei andere Paare, aus dem Baskenland und Savoyen, es scheint ein Touristengipfel zu sein. Nun haben wir die ganze Insel zu Füssen.
Der Rückweg ist der gleiche und beim Wigwam sind wir wirklich müde. Die ganze Tour war 15km lang und 600Hm. Wir fahren ein Kurve nach unten und bleiben dort für einen schönen Sonnenuntergang, feine Spaghetti und eine seeehr ruhige Nacht.
Wir besuchen Orgosolo. Das war früher das Zentrum der Banditi. Sie leisteten verzweifelten Widerstand gegen die Übergriffe des italienischen Staates und die Ausbeutung der Grossgrundbesitzer. Heute ist es bekannt für seine Wandmalereien an den Wänden = Murales. Sie sind ein Protest gegen Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Willkür, sondern auch der Versuch, die eigene Geschichte zu erklären. Die Murales sind eine Kunstform die 1910 nach der Revolution in Mexiko entstand. Das erste Bild in Orgosolo entstand 1969 mit eindeutig politischer Aussage. 1975 plante ein Mittelschullehrer eine originelle Aktion zum dreissigsten Jahrestag des faschistischen Widerstands. Sie malten ihre Motive vom Papier direkt auf die Hauswände. Heute ist das Dorf ein Freilichtmuseum, an dem die politischen Probleme der Welt abgelesen werden können. Ein paar Beispiele:
In der Nähe von Dorgali wollen wir den ältesten Dolmen sehen. Mapy.cz weist uns den Weg durchs Gebüsch. Also, wir haben keine Ahnung, was uns erwartet und Hans ist echt enttäuscht, als er so klein ist. Aber wie die die etwa 3 Tonnen schwere Platte auf die Menhire = die aufgestellten Platten gehievt haben, ist doch wirklich ein Wunder.
Das Nuraghen Dorf Serra Orrios entschädigt uns dafür. Wir sehen 2 Tempel, ein Versammlungshaus und viele runde Mauern der Häuser. Dann haben wir genug alte Steine gesehen.
Am Dienstag, 20 Juni ist unser letzter Tag auf Sardinien. Wir fahren nach Santa Teresa die Gallura, der nördlichste Ort von Sardinien. Von dort geht die Fähre nach Bonifacio, Korsika. Wir fahren extra über die Costa Smeralda, eine Küste der Reichen und VIP. Heute gibt es ganz viele Reiche, es hat viel Volk und Verkehr. Weil gar kein Parkplatz zu finden ist, gibt es nur ein paar Föteli aus dem Auto.
Nun ist es auch auf Sardinien sehr warm geworden. Schon zwei Tage liegt eine Dunstglocke über dem Land, die alles die strahlenden Farben verschluckt. Wir haben viel Interessantes uns Schönes erlebt und merken, dass wir auf dem Heimweg sind. Darum reif für die nächste Insel: Korsika.